Die Türkei im Nahen Osten – zwischen innerem Legitimationsdruck und osmanischen Großmachtträumen

02. Dezember 19:00 Uhr – Eintritt FREI Veranstaltungsinformationen

Prof. Dr. Udo Steinbach (Berlin)

„Friede daheim, Friede in der Welt“ (yurtta sulh, cihanda sulh) war das Motto, das Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der Türkischen Republik (1923), über die Zukunft des neuen Staates geschrieben hatte. Das war eine Lehre aus der Geschichte: Nicht zuletzt an den Konflikten im Nahen Osten war das Osmanische Reich 1918 gescheitert. Nie wieder sollte sich die Türkei dort einmischen.

Fast ein Jahrhundert später ist das Land im Inneren vielfach polarisiert: Die Religion und die ethnische Zugehörigkeit sind Verwerfungslinien, entlang derer sich innere Konflikte entzünden. Außerhalb der Landesgrenzen stehen türkische Soldaten in Syrien, im Irak und andernorts im Mittleren Osten und in Afrika. Im Großmachtdreieck USA – Russland – Europäische Union sucht die türkische Führung eine Orientierung.

Entgegen Atatürks Devise hat sich die Türkei in den Treibsand der orientalischen Politik begeben. 2023 wird die Türkische Republik das 100-jährige Jubiläum ihres Bestehens feiern. Nach dem Willen der Staatsführung soll das Land dann politisch eine Großmacht und wirtschaftlich die zehntstärkste Industrienation sein. Bis dahin bleibt nicht mehr viel Zeit. Wird die Staatsführung zielgerichtet und planvoll darauf zugehen – wie zwischen 2003 und 2013 geschehen? Oder wird sie mehr damit beschäftigt sein, die Gespenster abzuwehren, denen sie sich seither ausgeliefert hat?

Zur Person

Prof. Steinbach ist ein ausgewiesener Experte für den Nahen Osten. Er studierte Orientalistik und Klassische Philologie. Er war für die Stiftung Wissenschaft und Politik tätig und leitete von 1976 bis 2006 das Deutsche Orient-Institut in Hamburg. Neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler widmet er sich vor allem dem „Dialog der Kulturen“ und Konfessionen. Gegenwärtig verantwortet er das Nahostprogramm der Maecenata Stiftung.

Steinbach hat zahlreiche Publikationen vorgelegt, darunter die Standardwerke ‚Der Islam in der Gegenwart‘ (5. Auflage 2005) und ‚Die arabische Welt im 20. Jahrhundert‘ (2017). Er hat die Entwicklungen in der Türkei seit Jahrzehnten verfolgt und in vielen Beiträgen analysiert.

Sein Vortrag verspricht differenzierte Einsichten in Kontexte der türkischen Politik, die in der Öffentlichkeit wenig vermittelt oder sehr kontrovers debattiert werden.

Website Udo Steinbach: https://www.udosteinbach.eu/

Allgemeine Zielsetzung der Vortragsreihe Nordafrika – Naher Osten

Hier sollen die Länder im Fokus stehen, die ständig in den Medien erscheinen, deren Komplexität aber nicht leicht zu durchschauen ist: Türkei, Iran, Ägypten, Palästina, Irak, Syrien, Saudi-Arabien. Der Vortrag von ausgewiesenen Kennern der Region mit anschließender Diskussion wird jeweils die Länder aus der Binnenperspektive und ihre außenpolitischen Interessen und Strategien darstellen und einen Kontext herstellen, mit dem Situation der betreffenden Länder und die Politik der Regierungen verständlicher werden.

Organisator ist der „Arbeitskreis Nordafrika – Nahost“ (NANO) in Verbindung mit dem Orientalischen Institut der Universität Leipzig.

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